Die Germanen. Die komplette Saga by Jörg Kastner

Die Germanen. Die komplette Saga by Jörg Kastner

Autor:Jörg Kastner [Kastner, Jörg]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Historischer Roman
ISBN: 978-3-95751-049-5
Herausgeber: hockebooks gmbh
veröffentlicht: 2015-09-20T16:00:00+00:00


Kapitel 7 – Der Sohn des Bären

Wo, bei allen Göttern, blieb Thorag?

Das fragte sich Armin immer wieder, während er mit Inguiomar um die Gunst der Cherusker buhlte. Der Donarfürst genoss großes Ansehen bei seinem Stamm, und sein Wort hätte das entscheidende sein können. Aber Thorag, Sohn des toten Gaufürsten Wisar und Abkömmling des mächtigen Donnergottes, kam nicht, war schon mehrere Tage überfällig. Armin musste es ohne den Blutsbruder schaffen, seinen Stamm für sich zu gewinnen.

Tausende von Männern säumten den Thingplatz, die Frilinge aus den sieben Gauen der Cherusker. Sie lauschten den Worten ihrer Fürsten, bekundeten mit dem Klirren ihrer Waffen und Schilde Zustimmung oder durch lautes Murren Ablehnung. Am lautesten wurde der Lärm, als Armin und Inguiomar in einem Streitgespräch ihre Standpunkte darlegten, wie am Tag zuvor an Mimirs Quelle. Fast wäre der heilige Thingfrieden durch tätliche Auseinandersetzungen zwischen Hirsch- und Ingkriegern gestört worden, hätte nicht Gandulf ein Machtwort gesprochen.

Der Ewart, oberster Priester des alten Heiligtums, wirkte beeindruckend, als er mitten auf den Thingsplatz trat und sich vor die beiden Herzöge stellte. Trotz seines hohen Alters war seine große Gestalt ungebeugt. Auf das weiße, mit den Zeichen der mächtigsten Götter bestickte Priestergewand fiel ein grauer Bart, so lang, dass die Spitze über den mit Goldzierrat versehenen Gürtel reichte. Golden glänzte auch die Fibel mit dem einäugigen, bärtigen Gesicht Wodans, die das Gewand an der rechten Schulter zusammenhielt. Und golden schimmerte in Sunnas kräftigen Strahlen der Hammer, den Gandulf mit ausgestreckten Armen hochreckte, das Zeichen seiner Thinggewalt.

„Haltet ein, Frilinge der Cherusker!“, hallte seine Stimme über den Thingplatz, der vor zwei Tagen in einer feierlichen Zeremonie mit Haselnusspfählen und Seilen aus den Schweifen göttergeweihter Schimmel eingehegt worden war. „Verletzt nicht den Thingfrieden, erzürnt nicht die Götter! Ihr seid nicht hier zusammengekommen, um durch das Vergießen von Bruderblut die Heiligen Steine zu entweihen. Ihr habt Gelegenheit, eure Meinung kundzutun und dadurch die Entscheidung zu fällen, die der Mehrheit behagt.“

Die aufgebrachte Menge beruhigte sich allmählich. Die schon zum Schlag erhobenen Schwerter, Framen und Gere sanken wieder. Die Krieger kehrten auf ihre Plätze zurück. Doch feindselige Blicke flogen weiterhin über den Platz.

Frowin trat vor und blieb zwei Schritte vor dem Oberpriester stehen. „Ich bitte ums Wort, Ewart Gandulf.“

Gandulf nickte und ließ seinen goldenen Hammer sinken. „Der Fürst der Stiersippe hat das Wort.“

Ruhe kehrte ein, geboren von der Neugier auf Frowins Worte. Der weithin bekannte Schmied, der noch berühmter geworden war, seit die Stiermänner ihn zum Nachfolger des mächtigen Segestes gewählt hatten, ließ sich Zeit. Er blickte in das weite Rund, als wolle er jedem einzelnen Cherusker in die Augen sehen.

„Zwietracht spaltet unseren Stamm“, verkündete er dann. „Die eine Hälfte steht zu Armin, der für sich Kraft und Ungestüm der Jugend beanspruchen kann und den Krieg gegen Rom unbedingt fortsetzen will. Die andere Hälfte hört auf Inguiomar, der sich auf Erfahrung und Weisheit beruft. Er will Frieden für unseren Stamm und Glück für die Sippen der Cherusker. Beides ist nicht weniger ehrenvoll als der Krieg. Armin und sein Oheim können sich nicht einigen, aber beide wollen die Cherusker führen.



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